§ 630h BGB – Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler

(1) Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

(2) Der Behandelnde hat zu beweisen, dass er eine Einwilligung gemäß § 630d eingeholt und entsprechend den Anforderungen des § 630e aufgeklärt hat. Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen des § 630e, kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte.

(3) Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Absatz 1 oder Absatz 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet oder hat er die Patientenakte entgegen § 630f Absatz 3 nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.

(4) War ein Behandelnder für die von ihm vorgenommene Behandlung nicht befähigt, wird vermutet, dass die mangelnde Befähigung für den Eintritt der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit ursächlich war.

(5) Liegt ein grober Behandlungsfehler vor und ist dieser grundsätzlich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungsfehler für diese Verletzung ursächlich war. Dies gilt auch dann, wenn es der Behandelnde unterlassen hat, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, soweit der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das Anlass zu weiteren Maßnahmen gegeben hätte, und wenn das Unterlassen solcher Maßnahmen grob fehlerhaft gewesen wäre.

 

Erklärung:

§ 630h BGB klärt die Beweislast für Arzt und Patient bei Behandlungsfehlern oder Aufklärungsfehlern. Wenn bestimmte Vorraussetzungen vorliegen, muss nicht der Patient den Fehler des Arztes (bzw. des Behandelnden) beweisen, sondern der Mediziner muss beweisen, dass er selber keine Schuld hat. Im Ergebnis handelt es sich in diesen Fällen um eine Beweislastregelung zugunsten des Patienten (Beweislastumkehr).

§ 630h Absatz 1 BGB stellt eine Vermutung auf. Wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war (also z.B. die Nichtbeachtung medizinischer Hygiene-Standards oder andere, selbstverständliche Umstände, die vom Arzt nicht eingehalten wurden) und es dadurch zu einer Verletzung des Patienten kam, wird angenommen, dass es sich um einen Fehler des Arztes handelt. Der Patient muss dann keinen Beweis mehr für das Verschulden des Arztes erbringen.

Nach § 630h Absatz 2 BGB hat der Arzt zu beweisen, dass er den Patienten vor der Behandlungsmaßnahme über alle wesentlichen Risiken aufgeklärt hat (sie dazu die vorgeschriebenen Aufklärungspflichten des § 630e BGB) und das der Patient in diese Maßnahme eingewilligt hat (siehe dazu Einwilligung gemäß § 630d BGB). Wurden die Aufklärung des Patienten nicht ordnungsgemäß durchgeführt (die Anforderungen des § 630e BGB vom Arzt also nicht erfüllt), kann dies für den Arzt dennoch ohne Konsequenzen bleiben, der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte (sogenannte hypothetische Einwilligung).

§ 630h Absatz 3 BGB bezieht sich auf die Dokumentationspflicht des Arztes (§ 630f BGB – Dokumentation der Behandlung). Hat der Arzt eine medizinische Maßnahme und deren Ergebnis entweder nicht in die Patientenakte eingetragen oder diese Akte nicht pflichtgemäß aufbewahrt, wird zum Vorteil des Patienten angenommen, dass diese Maßnahme gar nicht erst stattgefunden hat.

§ 630h Absatz 4 BGB lässt ein Verschulden des Arztes vermuten, wenn es zu einer Verletzung des Patienten kam und der Arzt für die von ihm durchgeführte Maßnahme nicht befähigt war. Damit sind hauptsächlich Fälle gemeint, bei denen der Arzt nicht hinreichend fachlich qualifiziert war, weil er z.B. zu wenig Erfahrung hatte (Berufsanfänger).

§ 630h Absatz 5 BGB besagt, wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt, der ausreichend war, um eine vorhandene Verletzung des Patienten zu verursachen, davon ausgegangen werden muss, dass dieser Fehler auch der Grund für die Verletzung war. Dem gleichgesetzt wird das Nicht-Vornehmen eines medizinischen Befundes, wenn dieser wahrscheinlich ein Ergebnis gebracht hätte, welches zu einer weiteren medizinischen Handlung („Anlass zu weiteren Maßnahmen“) hätte führen müssen.

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