Schmerzensgeld bei Nichterkennung von Magenkrebs, welcher zum Tod der Patientin führte

Eine 32 Jährige Patientin hatte Beschwerden im Oberbauch und wandte sich am 5.4.1995 an einen niedergelassenen Internisten. Dieser stellte eine Verdachtsdiagnose auf eine Entzündung des Magens und Zwölffingerdarms (Gastroduodenitis) der Frau. Daraufhin führte er eine Magenspiegelung (Gastroskopie) bei der Patienten durch. Er fand bei der Untersuchung keinen Anhaltspunkt für Veränderungen im Sinne eines Ulkus (auch Ulcus, Geschwür) oder eines Magenkarzinoms (Magenkrebs). Deshalb entnahm er auch keine Gewebsproben.

Der Zustand der Patienten besserte sich allerdings nicht und ihre Beschwerden bestanden fort. Dazu kam rezidivierendes, also wiederkehrendes Erbrechen. Sie suchte den behandelnden Internisten daher in den nächsten Monaten weiter mehrmals auf. Dieser behandelte die Frau unter anderem mit Infusionen eines den Brechreiz unterdrückenden Medikamentes. Am 9.6.1995 wurde eine erneute Magenspiegelung (Gastroskopie) durchgeführt. Als Ergebnis der Untersuchung wurde eine geringe Restsoorösophagitis (Pilzerkrankung der Speiseröhre durch Candida albicans) und ein Galle-Reflux im Magen festgestellt. Wiederum wurde vom behandelnden Internisten keine Gewebeprobe entnommen, da dieser immer noch keinen Anhaltspunkt für ein Magengeschwür sah.

Am 19.5.1995 wechselte die Patienten den Arzt. Sie suchte einen zweiten Internisten auf und dieser führte wieder eine Gastroskopie durch. Das Ergebnis war die Sichtung eines großen Tumors (Tumorstadium wurde mit pT3 G3 N2, 8 x 3 cm ulceriertes, partiell siegelringzelliges Magenkarzinom mit Infiltration aller Wandschichten) im Magen der Patientin. Am 23.6.1995 wurde dieser Tumor bei einer OP chirurgisch entfernt. In den nächsten Monaten musste sich die Patientin mehreren, teils Monate dauernden Chemotherapien und weiteren operativen Eingriffen unterziehen. Am 1.6.1997 erlag die Frau ihrem Krebsleiden und verstarb im Alter von 34 Jahren.

Der Kläger war der Ehemann der Patientin. Er verklagte den Internisten auf Schmerzensgeldes und auf Ersatz des materiellen Schadens. Dem Internisten wurde vorgeworfen, dass er den Magenkrebs nicht schon bei der Gastroskopie im April 1995 erkannte. Dieser grobe Behandlungsfehler hätte dazu geführt, dass bis Mitte Juni 1995 zu viel Zeit verstrichen war, um der Patientin zu helfen und ihr deswegen der ganze Magen entfernt werden musste. Dadurch hätten langanhaltende Schmerzen und Beschwerden vermieden werden können. Seine Ehefrau hätte auch eine viel höhere Chance gehabt, die ersten 5 Jahre nach der Operation zu überleben (geschätzt 85 – 95%). Diese Chance sei ihr aber durch die Fehldiagnose genommen worden.

Die vom Gericht in diesem Fall eingesetzte Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen bei der Ärztekammer Westfalen-Lippe kam bei ihrer Untersuchung mit Bescheid vom 11.6.1996 zum Ergebnis, dass die endoskopischen Untersuchung des Magens der Patientin fehlerhaft durchgeführt wurde (es hätte vom Internisten nicht nur vorwärts gespiegelt werden dürfen, sondern das Endoskop hätte zusätzlich um etwa 180 Grad gedreht werden müssen, damit auch der distale Teil des Magens hätte eingesehen werden können) und daher der Krebs nicht frühzeitig erkannt wurde. Die Schmerzen und Beschwerden der Patientin seien allerdings nicht durch die fehlerhafte Behandlung des Internisten verursacht worden, sondern durch die Krebserkrankung der Frau.

Der Krankheitsverlauf, und am Ende der Tod der Patientin, sind jedoch als Folgen der Fehlbehandlung zu sehen. Daher hätte der Internist vor Gericht beweisen müssen (Beweislast liegt in solchen Fällen beim Arzt), dass sein Fehler nicht für die Entwicklung der Krankheit ursächlich gewesen ist. Diesen Beweis konnte er aber nicht erbringen. Daher wurde dem Ehemann vom Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 EUR zugesprochen.

Urteil 3 U 73/98 OLG Hamm vom 24.02.1999