Eine 26-jährige Frau wurde von ihrer Hausärztin wegen Bauchschmerzen in ein Krankenhaus eingewiesen. Es bestand der Verdacht auf eine Entzündung der Ausstülpung des Blinddarms (Appendizitis). Die Frau hatte einen Monat zuvor entbunden. Im Krankenhaus wurde dann eine Entzündung der Gebärmutterschleimhaut festgestellt (Endometritis), woraufhin ihr Antibiotika verabreicht wurde. Ebenfalls wurde eine Vorbeugemaßnahme gegen Thrombose durch das Medikament „Heparin“ durchgeführt (Thromboseprophylaxe). Über Risiken der Behandlung wurde die Patientin nicht aufgeklärt. Später traten bei der Patientin Schmerzen in den Beinen auf, woraufhin ihr Magnesium verabreicht wurde. Während ihres stationären Aufenthalts wurden die Schmerzen schlimmer. Daraufhin wurden ihre Venen mithilfe von Ultraschall untersucht (venöse Sonographie). Es konnte nichts gefunden werden, weshalb ein Gefäßchirurg die Patientin untersuchte.
Der Chirurg stellte eine Blockierung der Hauptschlagader in der Leistengegend fest, was anschließend durch weitere Untersuchungen bestätigt werden konnte. Nach den Untersuchungen tauchte erstmalig der Verdacht einer Heparinunverträglichkeit auf. Da dieser Verdacht jedoch nicht bestätigt werden konnte, wurde die Heparinbehandlung weiter durchgeführt. An den Folgetagen wurden Gefäßthrombosen beseitigt. Die Ärzte hatten nochmals Kontakt zu den Gerinnungsspezialisten aufgenommen, um eine Heparinunverträglichkeit sicher auszuschließen. Eine Unverträglichkeit der Patientin wurde vom Speziallabor ausgeschlossen. Die Ärzte des Krankenhauses jedoch schlossen eine Unverträglichkeit immer noch nicht ganz aus, weshalb sie sich entschlossen, das Medikament abzusetzen. Noch am selben Tag musste das Bein der Patientin amputiert werden.
Einen Tag später wurde durch einen Labortest der Verdacht auf eine Heparinunverträglichkeit bestätigt. Es wurde bewiesen, dass die arterielle Thrombose mit Gefäßverschlüssen und der Verschluss der darmversorgenden Arterien auf der Heparinunverträglichkeit der Patientin beruhten. Eine Entfernung der Milz der Patientin war ebenfalls erforderlich.
Die Patientin verklagte die behandelnden Ärzte aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers auf Schmerzensgeld. Sie behauptete, dass sie über die Risiken des Medikaments hätte aufgeklärt werden müssen. Hätte eine Aufklärung stattgefunden, hätte sie auf das Medikament verzichtet. Auch sind sowohl die Symptome der Thrombose, als auch die Heparinunverträglichkeit zu spät erkannt worden. Die Beine der Patientin waren schon grau bis weiß angelaufen und hatten eine kalte Temperatur, bevor die Ärzte nach der Ursache der Schmerzen gesucht und eine Untersuchung eingeleitet hatten. Weiter wurde eine venöse, statt einer arteriellen Sonographie durchgeführt, und es wurde weder Pulsstatus noch Hauttemperatur gemessen. Wäre die Untersuchung ordnungsgemäß erfolgt, hätte die arterielle Thrombose früher erkannt werden können.
Die Klage der Patientin wurde vom Landgericht abgewiesen, da zum einen die Patientin auch bei Aufklärung aller Risiken des Medikaments der Behandlung zugestimmt hätte. Ebenso war die Behandlung durch das Medikament dringend erforderlich und auch nachvollziehbar. Auch die Erkennung der Unverträglichkeit sei bis zu dem Zeitpunkt unmöglich gewesen. Und auch der äußerliche Zustand der Beine sei im Bericht als unauffällig festgehalten worden.
Die Patientin legt beim Oberlandesgericht Berufung (ein Wiederaufrollen der Verhandlung mit neuer Beweisaufnahme) gegen das Urteil ein. Dort behauptete sie weiterhin, dass sie bei Aufklärung aller Risiken des Medikaments eine Heparinbehandlung verweigert hätte. Des Weiteren wäre eine Behandlung mit Heparin gar nicht notwendig gewesen, da es auch andere, nicht medikamentöse Vorbeugungsmethoden gibt, um eine Arthrose zu vermeiden. Ihr Bein hätte somit noch gerettet werden können.
Die Berufung war erfolgreich. Die Ärzte hafteten für alle genannten Behandlungsfehler, allerdings nicht für die Aufklärungspflicht der Patientin. Das Gericht sprach der Patientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 DM (35.000 EUR) zu. Zukünftige materielle Schäden aufgrund der Prothese sind sehr wahrscheinlich und wurden der Patientin vom Gericht ebenfalls vorbeugend zugesprochen.
Urteil 1 U 22/00 OLG Celle vom 28. Mai 2001