Ein medizinischer Sachverständiger (oder auch medizinischer Gutachter genannt) ist ein Mediziner, der für einen bestimmten Auftraggeber zu konkreten medizinischen Fragen Stellung nimmt. Als Auftraggeber kommen dabei in erster Linie Gerichte in Betracht. Weitere Auftraggeber eines medizinischen Gutachtens können Versicherungen, Rechtsanwälte, Berufsgenossenschaften oder Privatpersonen sein.
Es gibt keinen inhaltlichen Unterschied zwischen den Bezeichnungen Medizinischer Sachverständiger und Medizinischer Gutachter. Im Rahmen der gerichtlichen Beweiserhebung, und in allen zuständigen Gesetzestexten, wird allerdings ausschließlich der Begriff Medizinischer Sachverständiger verwendet.
Jeder Facharzt kann von einem Gericht als Gutachter ausgewählt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Mediziner sich überhaupt beruflich mit der Erstattung von Gutachten befasst. Jeder Arzt, der mindestens über eine dem Facharztstandard entsprechende Sachkunde verfügt, kann von einem Gericht zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt werden und ist dann gesetzlich verpflichtet, ein Gutachten für dieses Gericht zu erstellen. Eine Verweigerung des Arztes oder ein Versäumnis in der Frist der Abgabe des Gutachtens, kann für den berufenen Arzt zu einer Ordnungsgeldstrafe führen.
Die medizinischen Fragen, die am häufigsten in einem Gutachten eines Medizinrechtsfalls beantwortet werden, sind Fragen zu Behandlungsfehlern, Durchführungen von Diagnosen, Behandlungen, Medikamentation und Therapien und Fragen zum Gesundheitszustand, Erkrankungen und Prognosen eines Patienten. Vor Gericht hat der medizinische Sachverständige vor allem die Aufgabe dem Gericht bzw. dem oder den Richtern, schwierige medizinische Sachverhalte verständlich zu machen, weil die Richter dazu fachlich nicht in der Lage sind, da sie selber nicht den notwendigen medizinischen Sachverstand besitzen. Nur ein ausgebildeter Arzt kann beurteilen, ob ein anderer Arzt oder ein Krankenhaus ihre Pflichten gegenüber einem Patienten verletzt haben. Der Richter ist allerdings in seinem Urteil unabhängig und alleine nur dem Gesetz unterworfen. Das Gericht muss sich daher im Ergebnis eine eigene Meinung bilden und ist nicht zwingend an das Gutachten des medizinischen Sachverständigen gebunden.
Haftung des medizinischen Sachverständigen / Gutachters
Bei der Erstellung eines falschen gerichtlichen Gutachtens muss der Sachverständige haften. Diese Haftung richtet sich nach § 839a BGB (Haftung des gerichtlichen Sachverständigen). Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Dazu kommen möglicherweise Strafen nach § 154 StGB (Meineid) oder § 153 StGB (falsche uneidliche Aussage).Da jeder Arzt verpflichtet ist eine Arzthaftpflichtversicherung abzuschliessen, zahlt in diesen Fällen meist die Versicherung des Sachverständigen. Sollte dieser aber keine Berufshaftpflichtversicherung haben, so verfügt Artikel 4c des Patientenrechtegesetzes i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Bundesärzteordnung (BÄO), dass seine Approbation ruht. Bei ruhender Approbation darf der Arzt seinen Beruf nicht ausüben.
Unabhängigkeit des medizinischen Sachverständigen / Gutachters
Der medizinische Sachverständige ist vor Gericht unabhängig, d.h. er unterliegt keiner Weisung und darf sich seine Meinung frei bilden. Aus diesem Grund sind auch Privatgutachten vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen, denn ein nur von einer Partei eingesetzter Sachverständiger ist eben nicht unabhängig. Ein Gutachten eines parteiischen Privatgutachters ist aber im Prozess als qualifizierter Parteivortrag zugelassen.In der Praxis ist die Unabhängigkeit des vom Gericht eingesetzten medizinischen Sachverständigen oft fraglich. Im Rahmen einer Studie wurden medizinische Gutachter befragt. Dabei gaben etwa ein Viertel der Sachverständigen an, beim Gutachtenauftrag durch das Gericht eine Tendenz signalisiert bekommen zu haben (Studie zur „Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern“ im Rahmen einer Dissertation an der Ludwig-Maximilians-Universität München).
Ablehnung wegen Befangenheit
Wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines medizinischen Sachverständigen zu rechtfertigen, kann der Sachverständige bei Gericht wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§§ 406, 42 Abs. 1 ZPO).Vergütung des medizinischen Sachverständigen
Die Bezahlung von medizinischen Sachverständigen vor Gericht erfolgt nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Ausserhalb des Gerichts unterliegt die Vergütung keiner Regelung und ist daher frei vereinbar.Lesen Sie hier welche Anforderungen an ein medizinisches Sachverständigengutachten zu stellen sind.