Starke Behinderung eines Kindes durch einen nicht rechtzeitig behandelten Wasserkopf (ärztlicher Kunstfehler)

Ein Kind wurde mit einer Nabelschnurverengung geboren. Der Kopfumfang des Kindes wurde auf 36 cm gemessen. Für weitere Untersuchungen wurde ein Konsiliararzt hinzugezogen, der das Kind in ein anderes Krankenhaus geschickt hat, aufgrund eines Verdachtes auf einen Herzfehler. Dieser konnte jedoch nicht bestätigt werden. Jedoch wurden am Kind neurologische Auffälligkeiten festgestellt wie z.B. Müdigkeit, Schlappheit und eine verminderte Muskelkraft (Muskeltonus). Vor allem aber wurde sowohl eine Asymmetrie der Seitenventrikel im Gehirn (Hirnventrikel sind mit Hirnwasser, sog. Liquor cerebrospinalis, gefüllte Hohlräume im Gehirn) festgestellt, wobei der linke Ventrikel größer war als der rechte. Ausserdem wurde noch eine Gehirnblutung auf der linken Gehirnseite diagnostiziert.

Bei der Entlassung wurde den Eltern eine erneute elektrophysiologische Untersuchung empfohlen, durch die sie eine Herzrhythmusstörung des Kindes behandeln lassen sollten. Der Entlassungsbrief, in dem zu lesen war, dass der Kopfumfang des Kindes mittlerweile schon 38,5 cm beträgt (2,5 cm mehr als direkt nach der Geburt), hat die Eltern jedoch nie erreicht. 10 Tage nach der Entlassung brachten die Eltern das Kind erneut zum Arzt, um eine Vorsorgeuntersuchung durchführen zu lassen. Dort wurde ein Kopfumfang von 40 cm festgestellt, woraufhin der Arzt das Kind erneut ins Krankenhaus überwiesen hat, da dort eine Stoffwechseluntersuchung durchgeführt werden sollte. Tatsächlich wurde aber nur die Stoffwechsellage geklärt. Diese Klärung erfolgte zudem ohne Befund.

Als das Kind wieder zu Hause war, musste es sich übergeben und verdrehte die Augen. Daraufhin wurde es von seinen Eltern zum Notdienst gebracht, wo es wieder in ein Krankenhaus eingewiesen wurde. Dort wurde ein Hydrocephalus (Hirnwasserabflussstörung) festgestellt. Die Eltern suchten erneut die Arztpraxis auf. Der Arzt schickte das Kind noch am selben Tag in ein Krankenhaus. Der Säugling wies Hirndruckzeichen und Erbrechen auf, weshalb die Hirnflüssigkeit operativ abgeleitet wurde. Erst nach dieser Operation haben die Ärzte mit einer Entwicklungsförderung begonnen.

Das Kind weist eine starke körperliche und geistige Behinderung auf und leidet zudem an Epilepsie, die medikamentös behandelt werden muss. Es ist sowohl motorisch als auch psychomental stark zurückgeblieben. Durch Gutachter wurde festgestellt, dass die Ursache der Behinderungen und der Epilepsie die zu späte Behandlung des Wasserkopfes (Hydrocephalus) war. Die Ärzte haben den Eltern nie wortwörtlich gesagt, dass das Risiko eines Wasserkopfes besteht. Außerdem hätten sie die Eltern darüber aufklären müssen, dass der Kopfumfang des Kindes regelmäßig untersucht werden müsste.

Im Ergebnis wurden die Eltern nie ausreichend über den Zustand des Kindes aufgeklärt. Dies war ein schwerer Behandlungsfehler (ärztlicher Kunstfehler) der behandelnden Ärzte. Deswegen wurde dem Kind vom Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 EUR und weitere Geldbeträge für alle Schäden, die noch folgen sollen, zugesprochen.

Urteil 4 O 538/01 LG Aurich vom 18.11.2005